
Mein Name ist Emilia Rieger, ich bin 23 Jahre alt und studiere seit September 2024 Futures Studies im Master an der University of Turku. Davor habe ich meinen Bachelor in Geografie und Englisch an der Universität Bern absolviert. Wie ich in Turku im Zukunftsstudium gelandet bin und wie ich mehrmals positiv überrascht wurde, wirst du im Verlaufe der Zeit zu lesen bekommen. Wenn ich nicht gerade studiere, mag ich es zu tanzen, fotografieren und wenig überraschend: zu schreiben. Ausserdem probiere ich gern Neues aus und daher habe ich mir gedacht, ich studiere in meinem Master etwas, was ich noch gar nicht kenne😉. In diesem Blog wirst du in erster Linie mehr über den Masterstudiengang Futures Studies in Turku erfahren. Dazu gehört aber auch mein Alltag als Studentin und verschiedene Perspektiven zum Thema Zukunft.
Viel Freude beim Lesen!
PS: Ich freue mich auch über einen Austausch, du kannst mich gerne auf Linkedin kontaktieren.
#1 – Zukunft studieren: Wie geht das?
Diese Frage habe ich mir auch gestellt, als ich mich für dieses Studium beworben habe.
Ich wusste ehrlicherweise noch überhaupt nicht, was mich erwartet. Ich wusste nur, dass ich meinen Master gerne in Finnland machen würde, da meine Familie mütterlicherseits in Finnland lebt und ich im Sommer 2020 in Finnland den besten Sommer überhaupt hatte. Ich hatte mir damals selbst versprochen – ich werde mal hier leben, zumindest für einen Abschnitt meines Lebens.
Also habe ich mich für verschiedene englischsprachige Studiengänge in Turku und Helsinki beworben und zwei Zusagen bekommen und mich letztendlich für Futures Studies in Turku entschieden. Einerseits wegen der Stadt, es ist wo meine Familie herkommt und andererseits, weil dieses Studium und die kurze Beschreibung auf der Website unglaublich spannend klangen. Besonders auffällig war für mich, dass es darum geht, für die Gesellschaft einen Mehrwert zu schaffen und zu lernen private und öffentliche Entscheidungsträger*innen zu unterstützen, in dem man alternative langfristige Strategien, in der sich schnell verändernde Umwelt zur Verfügung stellt. Als ich die Zusage erhalten hatte, war es ein unheimlich stolzer Moment und es hat sich angefühlt, als würde ein Traum in Erfüllung gehen. Besonders auch da meine Bewerbung eine von den 23 glücklichen war, die aus den über 460 Bewerbungen herausstach.
Natürlich ist ein Umzug ins Ausland auch mit gemischten Gefühlen verbunden, denn es bringt eine gewisse Ungewissheit mit sich. Wie ich später lernte, ist das ein intrinsischer Teil von Zukunft und Zukunftsforschung. Also, wie ist es Zukunft zu studieren und was lernt man da überhaupt?
Der Anfang des Studiums
Im ersten Semester hatte ich vor allem Einführungskurse. Das nannte sich zum Beispiel: «Introduction to Futures Studies» und «Futulab 1». Das eine ist eine Einführungsvorlesung in die Zukunftsforschung – also genau was ich brauchen konnte, um genauer zu lernen, was ich studiere und das andere verschafft einen Überblick und erste Anwendungsübungen zu Methoden der Zukunftsforschung.
In der Einführungsvorlesung war unser Leistungsnachweis ein Learning Diary – das haben wir in unserem Studiengang oft. Es ist ein Lerntagebuch, wo wir unsere Gedanken zum Vermittelten aufschreiben und reflektieren. Ich mag diese Art von Leistungsnachweis sehr, denn es regt zum Denken an und macht meiner Meinung nach in der Welt, in der wir «hard facts» in Minuten und Sekunden abrufen können, auch mehr Sinn als eine traditionelle Auswendiglernprüfung. Aber ich habe Komiliton*innen, die da etwas anderer Meinung sind. Ich denke, das hat auch viel mit persönlichen Präferenzen zu tun. Wer gerne schreibt, ist in diesem Studiengang sicherlich gut aufgehoben. Ich stelle dir hier meine Definition der Zukunftsforschung aus meinem Learning Diary vor, übersetzt von mir und ChatGPT:
«Im Studium der Zukunftsforschung lernen wir, offen für verschiedene Zukünfte zu sein, unsere eigenen Denkmuster zu hinterfragen und Ignoranz zu überwinden. Wir verstehen, dass die Zukunft weder festgelegt noch vorhersehbar ist – es geht vielmehr darum, auf unterschiedliche Szenarien vorbereitet zu sein. Wir entwickeln alternative Zukunftsbilder und antizipieren verschiedene Entwicklungen, indem wir Informationen und Visionen bereitstellen, die kluge Entscheidungen in der Gegenwart für die Zukunft ermöglichen. Wie Wendel Bell (1997) es ausdrückt: „Das übergeordnete Ziel der Zukunftsforschung ist es, die Freiheit und das Wohlergehen aller Menschen, sowie aller anderen Lebewesen zu erhalten.“
Zukunftsforschung zeichnet sich durch einen Methodenfokus aus, daher haben wir auch viele Kurse dazu. Das mag erstmal langweilig klingen – dachte ich zumindest. Ich war nie ein besonders grosser Fan der Methodik Kurse in meinem Bachelor und habe es mit Interviews und Statistischen Auswertungen verbunden. Dennoch habe ich für meine Bachelorarbeit mit einer kritischen Diskursanalyse eine Methode gefunden, die mir zusagt und meine zwei Fächer Geographie und Sprache gut kombiniert hat. Mit der kritischen Diskursanalyse habe ich untersucht wie Sprache die Beziehung zwischen Mensch und Natur formt und welche Machtstrukturen hinter gewissen Formulierungen stecken. Ich habe im Studium der Zukunftsforschung gemerkt, dass es für mich noch viel mehr spannende Methoden gibt. Natürlich gehören auch in Futures Studies Interviews und Statistik zu einem gewissen Grad dazu aber zusätzlich oder auch alternativ haben wir uns zum Beispiel einen «Futures Workshop», ein Expertenpanel «Delphi Method», Szenarioarbeit oder auch die Causal Layered Analysis angeschaut. Causal Layered Analysis analysiert in vier verschiedene Ebenen entweder sprachlich oder bildlich – ähnlich wie bei der kritischen Diskursanalyse. Die vier Ebenen sind: die unhinterfragte «Wahrheit», die soziale und strukturelle Ebene, Weltbilder und Mythen und Metaphern. Diese verschiedenen Ebenen ermöglichen eine Analyse über den Status quo hinweg und öffnen den Diskurs für alternative Zukünfte.
Futures Studies Career Day
Diese Erfahrungen können wir auch ausserhalb des Campus erweitern. An dem Futures Studies Career Day im November konnten wir zum Beispiel im Office vom Finland Future Research Center in Helsinki an einem Workshop zu der Zukunft von Arbeit teilnehmen. In diesem Zusammenhang haben wir ebenfalls das finnische Parlament besucht und uns mit der Kommission für Zukunft ausgetauscht.

In beiden dieser Kurse und noch anderen die wir hatten, haben wir auch Einblicke in Forschungsprojekte bekommen. Das Feld ist wirklich sehr breit und der akademische Hintergrund der Studierenden im Studiengang genauso. Das macht es sehr interessant. Hintergründe und Forschungsfelder reichen von Technologie, Wirtschaft, Nachhaltigkeit über Bildung, Psychologie und Politik und alles Erdenkliche, was in der Zukunft relevant sein kann. Aus meiner Sicht brauchen wir die Zukunftsforschung, weil sie als Vermittlerin zwischen verschiedenen Disziplinen fungiert und eine holistische Perspektive bieten kann. Ausserdem bewegt sich die Zukunftsforschung in einem ganz anderen Raum als die klassischen Natur- und Sozialwissenschaften. Ihr Wissen ist – anders als in vielen anderen Wissenschaften – nicht fixiert, sondern unsicher, offen und abhängig vom Kontext. Und genau das macht sie so spannend: Sie ist bewusst wertegeleitet und lädt dazu ein, über mögliche Zukünfte nachzudenken, statt nur eine einzige Wahrheit zu suchen.
Zurück in die Gegenwart und ein Blick in die Zukunft: Ich bin nun Mitten in meinem zweiten Semester, wo ich einen Einblick in die «Corporate World» der Zukunftsforschung bekommen habe und bin dabei erste Ideen für meine Masterarbeit zu brainstormen. Im neuen Quartal warten ausserdem ein Ethikkurs in Zukunftsforschung und ein Vertiefungskurs zu «Futures Workshop Facilitation» auf mich. Dazu in einem anderen Beitrag mehr.
Neugierig in die Zukunft blickend,
Emilia